Eigentlich, so sollte man meinen, kann man bei der Beantragung von Kindergeld nicht viel verkehrt machen. Zahlreiche Webseiten und Informationsbroschüren geben detailliert Auskunft, wann man wo den Antrag einreichen sollte. Warum die Beantragung für eine Berliner Familie dennoch zu einer Odyssee wurde, erzählt der folgende Artikel.
Die Vorgeschichte
Völlig unerwartet kommt im März 2016 über 4 Wochen vorm Geburtstermin der Sohn der Familie K. zur Welt. Geplant war die Geburt für zu Hause, aufgrund der frühen Geburtswoche ist das jedoch nicht möglich. Es geht mit Blaulicht in ein Krankenhaus mit Kinderstation. Das Kind kommt gesund zur Welt. Der Bezirk, in dem es geboren wird, ist aber nicht derselbe, in dem die Eltern wohnen. Da die Mutter das Krankenhaus auf eigenen Wunsch nach 24 Stunden verlässt, müssen die Eltern die Anmeldung beim Standesamt selbst vornehmen. Sie fahren im Laufe der folgenden Woche zum Standesamt des anderen Bezirks und melden ihr Kind dort an.
Das Standesamt des Bezirks, in dem das Kind geboren wird, muss nun die Anmeldung weitergeben an die Meldestelle des Bezirks, in dem die Familie lebt. Die Meldestelle wiederum gibt die Daten des Neugeborenen weiter an das Bundeszentralamt für Steuern in Bonn. Dieses teilt dem Kind eine persönliche Identifikationsnummer zu. Ohne diese macht keine Familienkasse der Bundesrepublik auch nur einen Finger krumm. Diese Regelung gilt seit dem 1. Januar 2016. Sie soll Doppelzahlungen vermeiden, führt aber im Endeffekt dazu, dass noch mehr Bürokratie nötig ist, bevor Eltern auch nur einen Cent Kindergeld sehen.
Das zähe Warten – Teil 1
Im Fall der Familie K. erfolgt die Weiterleitung der Anmeldung von der Meldestelle des Wohnbezirks zum Bundeszentralamt für Steuern im Mai 2016, über 2 Monate nach der Geburt. Da hat die Mutter der Familie schon des Öfteren mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Bundeszentralamts in Bonn telefoniert und erfahren, dass die Anmeldung des Kindes nicht weitergeleitet wird. Und da ist die Familie zur Meldestelle des Bezirks spaziert, um nachzufragen, woran es liegt. Jede Stelle, bei der sich Familie K. meldet, versichert uneingeschränkt Verständnis für die Situation, aber offiziell verantwortlich sind immer die anderen Ämter.
Im Juni kommt dann endlich die persönliche Identifikationsnummer für das Kind und Familie K. kann den Antrag auf Kindergeld bei der zuständigen Familienkasse abgeben. Nach drei Monaten Wartezeit rechnet Familie K. also im Juni mit der Nachzahlung. Und Familie K. muss rechnen, denn durch den Ausfall der Mutter nach der Geburt ist das Familieneinkommen so gering, dass die Familie ALG II bezieht.
Das zähe Warten – Teil 2
Bei der Berechnung der ALG-II-Leistungen wird bei Familie K. seit der Geburt des Kindes im März das Kindergeld als Einkommen berücksichtigt, obwohl die Familie das Kindergeld noch gar nicht erhält. Auf einen Widerspruch verzichtet die Familie, immer in der Hoffnung, dass die Auszahlung des Kindergeldes demnächst erfolgt. Doch es tut sich nichts.
Im Juli ruft die Mutter bei der zuständigen Familienkasse an und fragt nach dem Bearbeitungsstand des Antrags. Ihr wird mitgeteilt, dass die Bearbeitungsdauer ca. 6 Wochen beträgt, sie sich also noch gedulden müsse. Nach Ablauf der 6 Wochen ruft die Mutter erneut an und erfährt, dass die Familienkasse, bevor sie Kindergeldanträge genehmigt, immer erst klären muss, ob das Jobcenter bereits in eine so genannte Vorausleistung gegangen ist und das Kindergeld anstelle der Familienkasse ausgezahlt hat. Die Mutter bietet an, anhand der Bescheide selbst nachzuweisen, dass sie noch kein Kindergeld vom Jobcenter erhalten hat. Ein solches Vorgehen ist jedoch nicht möglich.
families-base.de Tipp: Wer die Nase voll von der deutschen Bürokratie hat und beispielsweise neue Persepektiven in der Schweiz sucht kann sich hier über das Land informieren: Nachrichtenportal Schweiz.
Zwei Enden
Im Falle der Familie K. hat sich das Jobcenter mit einer Antwort auf die Anfrage der Kindergeldkasse 2 Monate Zeit gelassen. Erst nach einer schriftlichen Fristsetzung zur Bearbeitung seitens der Familie K. erklärt das Jobcenter Ende August, dass die Familienkasse Kindergeld auszahlen kann. Ab April. Kein Witz, ab April. (Zur Erinnerung: der Sohn der Familie wurde im März geboren. Kindergeldanspruch besteht ab dem Monat der Geburt.) Im September erfolgt also die Nachzahlung des Kindergeldes ab April und es beginnt die reguläre monatliche Auszahlung. Familie K. fragt sich, was mit dem ihr zustehenden Kindergeld für März geschieht und beschließt, beim Jobcenter Widerspruch einzulegen.
Und dieses eine Mal geht alles schnell. Das Jobcenter zahlt das Kindergeld für März umgehend aus. Familie K. hat also im September, 6 Monate nach der Geburt des Kindes, erstmalig Kindergeld erhalten. Dafür waren Beschäftigte in 5 verschiedenen Ämtern von Berlin bis Bonn tätig und ca. 20 Telefongespräche mit dem Bundeszentralamt für Steuern, der Familienkasse und dem Jobcenter nötig.
2015 wurden laut Statistischem Bundesamt 738 000 Kinder in Deutschland geboren. Anspruch auf Kindergeld haben alle deutschen Staatsangehörigen, die entweder in Deutschland leben oder hier ihre Steuern zahlen. Außerdem anspruchsberechtigt sind u.a. Angehörige der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums, ausländische Staatsangehörige mit einer gültigen Niederlassungserlaubnis und anerkannte Flüchtlinge.
Seit dem 1. Januar 2016 müssen alle Kindergeldberechtigten die persönliche Identifikationsnummer des Neugeborenen bei der Antragstellung angeben.